08.03.06

13. Mein erster Jahrestag

Am 1. März 2006 hatte ich etwas zu feiern, nämlich 1 Jahr persönliche Assistenz. Ich möchte allen die in irgendwelcher Form daran beteiligt waren und sind, herzlich danken. Vor allem meiner persönlichen Assistentin, welche es schon 1 Jahr mit mir ausgehalten hat. Wenn ich mir überlege was wir alles schon miteinander erlebt haben, war das schon eine ganze Menge. In diesem Jahr begann ich wieder zu leben. Das heisst, ich führe das Leben, welches ich geführt habe, bevor meine Behinderungen zunahmen. Meine Lebensqualität ist wieder gestiegen, aber es wäre nicht ehrlich von mir, wenn ich nicht zugeben würde, dass ich mich manchmal auch nach meinem „alten“ Leben sehne. Das bedeutet: etwas selber zu schaffen und damit meiner Behinderung ein Schnippchen zu schlagen und manchmal kommt das „Alleinsein“ zu kurz. Aber ich denke, ich muss noch mehr behindert werden, dass diese „Flausen“ endgültig verschwinden. Dies wäre auch für den Umgang mit Assistenz gut.

Also, an diesem 1. März gingen meine Assistentin und ich auswärts Essen, um diesen Tag ein bisschen zu feiern. Dieser 1.März hat aber noch eine andere Bedeutung: Persönlicher Beginn des „Pilotprojekts Persönliche Assistenz“ der Fassis.

Im Laufe des Abends kam auch dieses Thema zur Sprache und meine Assistentin meinte, es seien viele neue Formulare zum ausfüllen. Ich sagte zu ihr: „ Ich glaube nicht, dass es so viele Formulare sind.“ Aber ehrlich gesagt, habe ich mich noch nicht im Detail damit befasst. Ich werde das wohl nächstens einmal tun. Formulare auszufüllen sind sowieso ein Gräuel für mich. Ich hoffe, dass sie auch elektronisch erhältlich sind. Dies würde das ganze viel einfacher machen. Vielmehr Bedenken machen mir die wissenschaftlichen Befragungen, aber auch das wird mal vorbei sein. Ich denke das gehört einfach auch zu einem Pilotprojekt. Und ich darf das Ziel dieses Projektes nicht aus den Augen verlieren: Die definitive Einführung einer Assistenzentschädigung für alle Menschen in der Schweiz welche darauf angewiesen sind, insbesondere auch Kinder und alte Menschen.

Etwas dazu beitragen zu können ist mir ein grosses Anliegen.

12. Assistenz und Privatsphäre

Ich lebe in einer 1 ½ - Zimmer Wohnung, daneben habe ich noch einen Kellerraum gemietet den ich als Büro nutze. In diesen 1 ½ - Zimmern koche ich, schlafe ich und verbringe ich meine Freizeit. Immer wieder kommt jemand in meine Wohnung um mir Assistenz zu geben, sei es im Haushalt oder mir persönlich.

Wie organisiere ich nun, dass meine Wohnung einigermassen aufgeräumt aussieht und ich mich darin zurecht finde. Das bedeutet, dass ich auch finde was ich suche.

Es passiert sehr oft, dass ich etwas suche weil jemand etwas weggeräumt hat und ich nicht weiss wohin und ich es deshalb nicht finde.

Ein Beispiel: neben meinem Bett steht ein Papierkorb den ich nur als Papierkorb benutzen will, der Abfalleimer steht im Bad. Die Personen welche mich ins Bett bringen und morgens aufnehmen, halten sich nicht an meine Anweisungen den Abfall nicht in den Papierkorb zu werfen. So schlafe ich nun meistens im Abfall. Ich habe schon alles versucht: meine Anweisungen wiederholt, den Papierkorb als solchen angeschrieben, aber es hilft alles nichts.

Meine Haushalts Assistenz und meine Persönliche Assistenz halten sich daran.

Diese zwei Frauen habe ich selber ausgesucht, angestellt und sie werden auch von mir bezahlt.

Die übrigen Frauen kommen durch einen Pflegedienst. Ich habe dort keinen Einfluss auf die Auswahl der Frauen. Es kommt, wer gerade eingeteilt ist.

Generell ist zu sagen, dass ich mehr Mühe habe meine Anweisungen beim Pflegedienst durchzusetzen, als bei meinen Assistentinnen. Dabei denke ich, dass auch der Pflegedienst nicht gerne im Abfall schläft.

Ich denke das hat auch etwas mit der Motivation zu tun. Beim Pflegedienst bin ich eine Patientin von vielen, welche keine direkte Befehlsgewalt über sie hat. Bei meinen Assistentinnen bin ich die Chefin, denn sie sind von mir direkt angestellt.

In meiner Wohnung geht es zu wie auf einem Bahnhof. Ständig kommen und gehen fremde Leute. Ich habe das Gefühl dass meine Wohnung zu einem öffentlichen Raum geworden ist, wo es keine Privatsphäre mehr gibt. In meinem Büro hingegen fühle ich mich mehr zu Hause. Das habe ich selber gestaltet und hier kommen nur sehr wenige, von mir ausgewählte Personen rein. In diesem Raum gibt es meine Privatsphäre noch. Hier fühle ich mich geborgen, das ist mein persönliches Reich.