15.11.05

2. Wie ich zur persönlichen Assistenz kam

Von Kindesbeinen an wurde ich darauf trainiert, trotz meiner Behinderung alles selber zu machen. Ich war zuerst gar nicht begeistert von dieser Idee. Denn das bedeutete am Anfang, dass ich zwei Stunden früher aufstehen musste um mich alleine anziehen zu können. Ich hatte eine Bank vor meinem Bett, wo ich mich jeweils drauf gesetzt hatte, ziemlich mürrisch und den Tränen nahe versuchte ich jeweils „das Selber anziehen“ zu verhindern, indem ich nach meiner Mutter rief. Sie aber liess sich davon nicht beeindrucken und antwortete mir jeweils: „Probiers noch mal selbst, ich komme gleich“. So trainierte ich immer weiter, bis ich es schlussendlich in einer halben Stunde schaffte.

So ging es mir mit verschiedenen Sachen, welche mir die Selbständigkeit ermöglichten. Ich war sehr stolz auf meine Selbständigkeit.

Mit 26 Jahren zog ich in meine erste, eigene Wohnung und konnte darin meine Selbständigkeit so richtig ausleben. Ich war mein eigener Herr und Meister.

Vor etwa 10 Jahren, von einem Tag auf den anderen, schien es mir dass meine Selbständigkeit entgleiten würde. Ich bekam eine zweite Lähmung, welche einen sofortigen Wohnungswechsel in eine rollstuhlgängige Wohnung, (inkl. Rollstuhlgängiges Badezimmer, welches ich vorher nicht hatte) nötig machte.

Ich erinnere mich noch genau, als mein Pflegebett in die neue Wohnung geliefert wurde. Denn das war eine der Bedingungen welche mir die Spitex auferlegt hatte, damit sie meine Pflege morgens übernehmen würden. Aber es sollte noch schlimmer kommen, aus damaliger Sicht gesehen.

Heute lebe ich mit 3,5 Std. Spitex am Tag, die mir ermöglicht aufzustehen und ins Bett zu gehen. Dies ist das absolute Minimum, welches mir erlaubt trotz zunehmender Behinderung in meiner eigenen Wohnung weiterzuleben ohne in ein Heim zu müssen. Was für mich bedeuten würde, mein jetziges Leben aufgeben zu müssen.

Viel wichtiger für mich ist meine persönliche Assistentin, welche mich durch mein Leben begleitet und die ausgefallenen Funktionen und Tätigkeiten meines Körpers, übernimmt.

Wie kam ich nun zu dieser persönlichen Assistenz: Natürlich habe ich mich während meiner Arbeit schon damit befasst, wo ich noch nicht im Traum daran gedacht habe, dass ich einmal selbst, persönliche Assistenz brauchen würde. Ich dachte zu dieser Zeit, dass sei etwas für andere Behinderte, aber sicher nicht für mich. Der Stolz meiner Selbständigkeit war immer noch in mir drin, obwohl man nicht mehr von Selbständigkeit sprechen konnte, so wie ich sie vorher kannte. Alles schien dramatisch und ausweglos. Ich stand vor dem Nichts und wollte es für lange Zeit nicht wahr haben, dass mir zum Beispiel alles aus den Händen fällt. Ich habe lange mit dieser Situation gelebt, bis mein Leben unerträglich wurde. Zur gleichen Zeit schien sich aber bei der Arbeit eine Möglichkeit aufzutun, nämlich die dritte Ergänzungsleistung (für Pflege und Betreuung). Ich dachte, diese Ergänzungsleistung könnte auch eine Möglichkeit für mich sein, meine persönliche Lebenssituation zu verbessern. Schlimmer konnte es ja nicht werden. Eines war auch ganz klar für mich. Es sollte möglichst keinen Mehraufwand an Arbeit für mich bedeuten weil, davon hatte ich schon mehr als genug und ich bin auch nicht der Typ Mensch, der auf der Strasse oder sonst wo Leute ansprechen würde wegen einem Assistentenjob bei mir. So kam ich dann auf die Idee ein Inserat im Internet aufzugeben.

Und es dürfte dann auch nichts kosten, das war meine Vorgabe. Denn ich wollte kein eigenes Geld in meine Assistenz stecken. Dies nahm ich mir damals vor.

Ich habe dann einen Platz gefunden für mein Gratisinserat (www.gratis-inserate.ch).

Dennoch machte ich mir keine grossen Hoffnungen, dass ich eine Antwort bekommen würde. Es haben sich aber zwei Leute gemeldet, eine Frau per e-Mail und eine Frau per Telefon. Die Frau per e-Mail konnte ich leider nicht erreichen, mit der Frau am Telefon machte ich innerhalb der folgenden halben Stunde einen Termin ab.

Sie hatte eine sehr zackige Stimme, welche mich ein wenig erschreckte und ich mich mit der Frage beschäftigte, was sie wohl für ein Mensch sein würde. Zudem war ich an diesem Nachmittag ganz alleine im Büro. Mir wäre es viel lieber gewesen, wenn noch jemand dabei gewesen wäre. Aber wie heisst es so schön, wer A sagt muss auch B sagen. Ich hatte mir vorweg ein paar Bedingungen überlegt die sie unbedingt erfüllen musste, damit ich sie anstelle. Denn das hatte ich von meinen ausländischen KollegInnen gelernt, dass es sehr wichtig ist zu sagen was man braucht. Ansonsten würde die ganze persönliche Assistenz keinen Sinn machen und somit auch für mich keine bessere Lebensqualität bringen. Ich hatte zwei Dinge die mir sehr wichtig waren nämlich, dass sie mir die Windeln wechseln und mich füttern kann. Bei unserem Vorstellungsgespräch trat ich dann ziemlich rasch mit meinen Bedingungen an sie heran. Ich weiss nicht wie oft ich sie danach gefragt hatte, aber sie bejahte meine Fragen und so kam es, dass sie meine erste persönliche Assistentin wurde. Das war Anfang März 2005.

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